Spiel: Dear Elizabeth
Literarisches Briefrollenspiel von Will C mit Übersetzung und Einleitung von Tina Trillitzsch
591 Wörter, ungefähre Lesedauer 3 Min.
Inhalt
Tinas Vorwort
Dear Elizabeth ist eines der drei Gewinnerspiele beim diesjährigen 200-Wörter-RPG-Wettbewerb. Schon letztes Jahr hatten wir uns drei der Gewinner von 2017 herausgepickt und einen davon, Mechanical Oryx (von Grant Howitt), übersetzt und mit Spielbericht in Ausgabe 001 des Zines veröffentlicht. Alle für einen (von Ben Rolfe) haben wir für Ausgabe 001 übersetzt und über unser Testspiel berichtet. Und Route Clearance (von Andrew Millar) habe ich Basis für ein eigenes Spiel, Drachenreise, in Ausgabe 002 verwendet.
Diesmal nun also Dear Elizabeth…, ein Briefrollenspiel für Zwei, das ich übersetzt habe und gleich zwei Hacks dazu präsentiere: Liebe Tilda mit wachsamen Mäusen und Dear Distant Stars mit Weltraum-Fernbeziehungen (beide auf den folgenden Seiten).
Sowohl thematisch als auch mechanisch fand ich das Spiel sofort interessant. Es simuliert eine Briefkorrespondenz zwischen Freundinnen in der Regency-Zeit im Stil von Jane Austen und anderen Autorinnen. Ein feminin geprägtes Genre, das bis vor kurzem noch kaum von Spielen bedient wurde - inzwischen gibt es zum Austen-Thema auch Good Society von den Storybrewers ( Interview in Ausgabe 000) und diverse Kartenspiele (Marrying Mr Darcy, Jane Austens Hochzeitsball).
Als Briefrollenspiel reiht es sich in ein recht kleines Genre ein, das unter anderem aus De Profundis und Quill besteht (Good Society hat ebenfalls eine Briefschreibe-Phase). Und doch vermute ich, dass viele, die mit Tischrollenspiel gar nichts am Hut haben, schon lange etwas ähnliches auf ihre Art spielen. Meine Schwester hat mit Freundinnen schon vor Jahren humoristische E-Mails im Austen-Stil ausgetauscht.
Dear Elizabeth… verlegt das Ganze an den Spieltisch, gibt ihm durch die Themenkarten Struktur und führt leicht umsetzbare taktile Elemente ein, die zum Losspielen einladen: Schreiben mit echter Tinte, Tee und das “Verschicken” der Briefe durch Hindurchschieben unter dem Türschlitz.
Als ich das Spiel las und die Soloversion gespielt habe (bei der man keine Antworten erhält und sich Sorgen macht), wurde mir sofort klar, wie hackbar es ist. Zwei eigene Hacks habe ich angefügt, aber mir fallen noch einige mehr ein, z. B. mit Horrorthema. Man könnte auch die Karten von Spielen wie Hobbit-Geschichten aus dem Grünen Drachen und Cthulhu Tales als Brief-Themenkarten verwenden.
Das Spiel
Du bist Heldin eines Roman aus der viktorianischen oder Regency-Zeit. Deine Freundin ebenso. Trotz Trennung schreibt ihr einander Briefe.
Ihr braucht beide Karteikarten, Papier und Stifte - Füller oder Schreibfeder. Kugelschreiber wäre undenkbar! Tee und Gebäck nach Wunsch.
Erfindet eure Heldinnen
Beschreibt eure Persönlichkeiten und sucht euch eine Tugend, ein Laster, und eine Hoffnung aus. Macht euch die Wertvorstellungen des 19. Jahrhunderts zu eigen!
Beschreibt eure Familien. Was macht Vater? Wie ist Mutter? Wie habt ihr euch kennengelernt? Beschreibt jeweils einen besonderen Moment, der euch verbindet. Warum seid ihr auseinander gegangen?
Vorbereitung
Schreibt einzeln auf Karteikarten:
- Begegnung
- Gast
- Brautwerbung
- Geburt
- Skandal
- Tod
- Streit
- Antrag
Mischt die Karten und nehmt jeweils die Hälfte.
Spielen
Ihr sitzt in getrennten Räumen. Außer per Brief gibt es zwischen euch und euren Figuren keine Kommunikation. Bewahrt den Schein.
Diesen Frühling hat sich ein Ereignis zugetragen. Ziehe eine Karte und interpretiere sie fantasievoll.
Schreibe mit Stift und Papier einen Brief an deine Freundin. Schildere dein Ereignis. Stelle ihr Fragen zu ihrem Leben und beantworte ihre eigenen. Entwickelt eine gemeinsame Geschichte mit Nebenfiguren. Lass dich von deiner inneren Austen, Brontë und Eliot inspirieren.
Wenn du fertig bist, stecke ihn unter dem Türschlitz hindurch. Lies den Brief, der an dich gesendet wurde.
Wiederhole dies für Sommer, Herbst und Winter.
Solovariante
Du schreibst Briefe, erhältst aber nie Antwort. Du fragst dich, wieso.
Bildnachweis
Coverbild: Tina Trillitzsch unter Verwendung eines eigenen Fotos