Interview: Sabine Voelkel
Tina hat Sabine zum Rollenspiel, den Tanelorn- und Gauntlet-Communitys und dem Übersetzen von Spielen befragt.
1.187 Wörter, ungefähre Lesedauer 6 Min.
Sabine übersetzt, lektoriert, schreibt, leitet und spielt Rollenspiele und hat viel Erfahrung beim Moderieren von einschlägigen Foren wie dem Tanelorn und den Gauntlet Forums.
Viele haben sicher schon etwas von ihr gelesen: von ihr stammt die deutsche Fassung von Fate Accelerated (Turbo Fate), und auch Teile von Jason Morningstars Fiasko und von Fate Core hat sie ins Deutsche übertragen. Nicht zu vergessen natürlich das Schummelabenteuer, das zum Gratisrollenspieltag 2019 gedruckt im Rahmen unseres Zines erschien! Dazu hat sie auch viele Übersetzungen lektoriert – darunter Unknown Armies und Fate Core.
Aber das ist noch längst nicht alles, denn sie schreibt auch eigenes Spielmaterial: eine Fiasko-Kulisse über Schrebergärtner (Kleingartenanlage), und neben einigen Beiträgen zur Tanelorn-Challenge viele verschiedene Genre-Szenarien für das Schummelabenteuer (siehe dort im PDF nach den Regeln).
Sie spielt und leitet schon seit über 30 Jahren Rollenspiel, war lange Zeit im Moderationsteam des Tanelorn-Forums und ist außerdem Teil der Orga für das Tanelorn-Treffen, bei dem Foristen „in echt“ auf einer Burg miteinander rollenspielen.
Seit einigen Monaten spielt sie intensiv per Videochat Indiespiele in der internationalen Gauntlet-Community und sammelt dabei massenweise Erfahrung mit vielen verschiedenen neuen wie alten Spielen und mit Mitspielern, die aus allen Ecken der Welt kommen. Außerdem ist sie Moderator im dazugehörigen Forum, den Gauntlet Forums.
Viel Spaß mit dem Interview!
Spielen und Spielkultur:
Tina: Du spielst ja schon total lange. Wie war denn deine Entwicklung in der Spielelandschaft? Mit welchen Spielen hast du angefangen, gab es einen Wendepunkt, nachdem du ganz andere Spiele bevorzugt hast, und was spielst du inzwischen alles so?
Sabine: Ich habe mit Rolemaster angefangen; aber ich bin ziemlich schnell in die deutsche Con-Szene eingetaucht. Zu dem Zeitpunkt war Vampire: The Masquerade in der zweiten Edition ziemlich angesagt, und darüber habe ich einige Runden gefunden und auch selbst eine recht lange Kampagne geleitet. Ich bin aber auch mit Midgard in Berührung gekommen und habe da ziemlich viel gespielt. Über einen Stammtisch in Esslingen habe ich dann sowohl AD&D als auch Ars Magica kennengelernt.
Es gibt eigentlich ziemlich wenige Systeme, die mir gar nicht zusagen, und ich habe immer schon relativ viele Dinge gespielt, darunter auch D&D, als es rauskam. Später dann habe ich angefangen, mich für Indies zu interessieren – zunächst My Life With Master oder Dogs in the Vineyard, danach dann FATE – damals noch mit der dritten Edition, die ich dann zusammen mit anderen übersetzt habe. Fate Core war dann allerdings eine echte Verbesserung! Mittlerweile spiele ich oft und gern neue Sachen, viele davon als One-Shots oder Few-Shots online. PbtA sticht da etwas heraus, weil es für meinen Spielstil gut funktioniert und sehr vielseitig ist.
Einen ganz klaren Wendepunkt kann ich allerdings nicht ausmachen – ich fand es beim Rollenspiel immer wichtig, eine persönliche Entwicklung meines Charakters durchzuspielen und mehr oder weniger tiefschürfende Gespräche mit anderen Spielercharakteren zu führen. Und – um die Wahrheit zu sagen – mag ich es auch, im Rollenspiel zu kämpfen und dabei zu rocken.
Augenblicklich leite ich meine alte Ars-Magica-Runde, eine Dresden-Files-Runde und eine Dungeon-World-Runde. Ich spiele beim Gauntlet schon etwas länger bei Masks mit, und bei einem DSA-Derivat mit World-of-Dungeons-Regeln.
Tina: Momentan spielst du intensiv und vielseitig auf dem Gauntlet, fast täglich, wie mir scheint. Reicht es dir auch manchmal und du brauchst dann eine Pause? Oder würdest du am liebsten rund um die Uhr spielen, wenn du könntest? Mit anderen Worten: „Kann man eigentlich zu viel spielen?“
Sabine: Also ich muss schlafen und arbeiten, und manchmal brauche ich auch einfach meine Ruhe. Oder will raus, wenn das Wetter schön ist – ich fotografiere begeistert, wenn auch nicht sehr professionell, und dafür muss ich halt ins Freie. Ob man zu viel spielen kann? Wahrscheinlich … ich hatte an einem Tag mal drei Runden, da war es bei der letzten schon etwas anstrengend.
Tina: Du hast inzwischen schon mehrere unterschiedliche Spielkulturen gut kennengelernt. Gibt es größere Unterschiede oder Gemeinsamkeiten? Wie unterscheiden sich z. B. deine Heimgruppe(n), die Tanelorn-Mitglieder (die etwa bei den Tanelorn-Treffen auf Burg Hessenstein zusammen spielen) und das internationale Gauntlet? Können wir in Deutschland etwas von dieser internationalen Spielkultur lernen?
Sabine: Meine Heimgruppen spielen alle schon seit Jahren zusammen und haben sich aufeinander und auf die unterschiedlichen Präferenzen eingestellt, und die sind da deutlich unterschiedlicher als die Gruppen, die sich beim Gauntlet finden. Hier habe ich aber vom Gauntlet einige Strategien mitgenommen, die mir hoffentlich helfen, geduldiger mit meinen Mitspielern umzugehen.
Bei Tanelorn-Treffen sind die Spielinteressen durch Gruppen deutlich homogener – da kann ich mir im Vorfeld schon Gruppen suchen, die zu mir passen. Entsprechend unterscheidet sich das Spielerlebnis da gar nicht so sehr, weil die Gruppen auf dem Treffen durchaus ziemlich indie-lastig sind und normalerweise nur als One-Shot tagen (es gibt auch nicht-indie-lastige Gruppen, aber da muss ich a) nicht mitspielen, und b) sind gerade die üblichen Platzhirsche wie D&D, Shadowrun oder DSA auf den Tanelorn-Treffen ziemlich unterrepräsentiert). Bezüglich der Sicherheitsmechaniken können wir da allerdings noch einiges vom Gauntlet lernen, finde ich.
Trends und heiße Tipps:
Tina: Du spielst nicht nur oft, sondern auch sehr viele unterschiedliche Spiele. Siehst du bei Indiespielen irgendwelche aktuellen Trends?
Sabine: Ich habe das Gefühl, dass viele Spiele auf der Basis entstehen, die ihre grundlegenden Mechanismen von anderen Spielen übernehmen und dann mit eigenem Fokus anreichern. Es sind jetzt etliche Spiele erschienen oder werden noch erscheinen, die die PbtA-Mechanik mit Moves und Playbooks verwenden, aber andere Schwerpunkte setzen.
Tina: Gibt es ein Spiel (oder mehrere), das dieses Jahr rauskommen oder auf Kickstarter landen soll, auf das du dich ganz besonders freust?
Sabine: Ich freue mich sehr auf Hearts of Wulin! Und für Trophy sind auch noch etliche Vorbereitungen im Gange …
Übersetzen und Schreiben:
Tina: Du hast ja schon an einigen Spielübersetzungen gearbeitet. Wie entscheidest du, welche Projekte du in Angriff nimmst oder wo du mitmachen willst?
Sabine: Zunächst mal muss mir das Spiel gefallen, dann muss ich Zeit haben und dann brauche ich noch jemanden, der die Übersetzung von mir haben will. Wobei ich auch sehr gern lektoriere …
Tina: Schummelabenteuer ist nicht die erste deiner Übersetzungen, die auch gedruckt erscheint. Im Gegensatz zu den anderen (Fiasko, Turbo Fate), die im Laden erhältlich sind, wurde Schummelabenteuer auf dem Gratisrollenspieltag kostenlos verteilt und durch ein Crowdfunding von vielen Unterstützern auf eine beeindruckende Auflage von 2.500 Stück gebracht. Wie war das für dich, deine Übersetzung so veröffentlicht zu sehen? Anders als bei Fiasko und Turbo Fate oder vergleichbar?
Sabine: Es war schon anders, vor allem auch, weil Schummelabenteuer so kurz ist und so schnell übersetzt war. Also keine Deadline, die ich laaange auf mich zukommen lassen konnte. Den Dialog über Slack mit dir und Thorsten fand ich auch sehr angenehm.
Tina: Hast du momentan ein Projekt in Planung oder in Arbeit, auf das wir uns freuen können?
Sabine: Ich habe das Horror-Rollenspiel Trophy übersetzt. Außerdem habe ich dafür bereits einen Vorstoß auf Englisch verfasst und arbeite an einem zweiten – der wird dann auch im Codex: Blood 3 (Anmerkung: Monatlich erscheinendes PDF-Zine der Gauntlet-Community) veröffentlicht.
Vielen Dank an Sabine für die Beantwortung der Fragen!
Bildnachweis & Mitwirkende
Coverbild-Rahmen und Zwischenbilder gestaltet von Tina Trillitzsch, Porträt-Avatar von Sabine Voelkel. Fragen-Ideen: Gerrit Reininghaus, Thorsten Panknin. Korrektorat: Thorsten Panknin, Tina Trillitzsch