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Interview: Fünf Fragen an Dyn Quing

Thorsten hat mit Dyn Quing über Podcasten, Rollenspielen, Übersetzungen, Spieldesign und Queerness gesprochen.

1.039 Wörter, ungefähre Lesedauer 5 Min.

Coverbild des Artikels

Das zweite Interview in dieser Ausgabe hat Thorsten mit Dyn Quing von SchmetterTing geführt. Dyn ist seit 20 Jahren Rollenspieler und begann damals gleich als Spielleitung, seit 10 Jahren leitet sie*er überwiegend online. Sie*Er ist Elter von drei Kindern, ehemalige Softwareentwicklerin und inzwischen auch Podcaster, Verleger und Queerfeminist. Sie*Er ist nicht binär, kommt mit allen Pronomen klar und mag „they/them“ gern.

Viel Spaß mit dem Interview!

schnoerkel

Beginnen wir mit dem Podcast: Worum geht es darin genau?

Der SchmetterTing Podcast teilt sich in die beiden Kategorien RPG Talk und Actual Plays auf und wie der Name schon verrät, sprechen wir hier über Pen-&-Paper-Rollenspiel oder teilen unsere gespielten Runden. Da ich selbst vor allem in der Welt der Dunkelheit leite, ist diese auch vorerst der Ausgangspunkt für den RPG Talk. In Staffel 0 habe ich Tipps zum Spielleiten gegeben, die aber auch für alle Rollenspiele angewendet werden können. Der Podcast hat nun eine längere Pause hinter sich, legt aber am 19. September wieder mit Staffel 1 los, in der wir vorerst verschiedene Systeme der Welt der Dunkelheit näher besprechen. Das mache ich mit meiner Freundin, die bisher kaum Berührung mit den Spielen hatte. Dabei schauen wir uns auch Alternativen und die Möglichkeiten für queeres Spiel an.

schnoerkel

Du bist, z. B. bei Twitter, offen queer. Drückt sich das auch im Rollenspiel bei dir aus?

Definitiv. Genau genommen hat sich das sogar schon ausgedrückt, bevor ich selbst wusste, dass ich keine Cis-Frau bin. Rollenspiel hat mir dabei geholfen, verschiedene Sachen auszuprobieren: Ich habe viele männliche Rollen gespielt und mich darin sehr wohlgefühlt, 2016 habe ich mich als Trans-Mann geoutet. Aber dieser Weg ist eine krasse Reise und durch das dauerhafte In-mich-hineinhorchen bin ich mit dem Spektrum irgendwo zwischen den binären Geschlechtern Mann und Frau hängen geblieben. Das hat sich auch immer wieder in meinen Spielfiguren im Rollenspiel gezeigt.

Da ich hauptsächlich Spiele leite, gibt es ganz automatisch immer queere NSC (Nichtspielercharaktere) in meinen Settings. Für mich ist Queerness im Rollenspiel Normalität, ich muss langsam echt nach nicht-queeren NSC suchen. Dabei ist es nicht immer offensichtlich, weil auch diese Figuren oft Angst haben, sich zu outen oder die entsprechenden Eigenschaften einfach subtil sind. Wer zwischen den Zeilen lesen mag, kann die Queerness in meinen Spielrunden immer finden. Es gibt aber auch genug Offensichtliches zu entdecken.

Deshalb ist das SchmetterTing-Projekt auch mit dem Untertitel Queering the Game zu lesen.

schnoerkel

Was magst du an Erzählspielen wie Lovecraftesque?

Lovecraftesque war für mich das erste Erzählspiel und hat mich gleich mit dem Prinzip überzeugt: spielleitungslos gemeinsam eine Geschichte erzählen. Alle Beteiligten können dabei kreativ sein, die Geschichte formen und völlig involviert sein. Es hebt etwas hervor, was ich am Rollenspiel sehr schätze: gemeinsam Spaß haben. Alle haben gleichermaßen viel Spielzeit, müssen zu jeder Zeit aufmerksam sein und aus dem, was vorher erzählt wurde, die Geschichte weiter stricken. Ich finde, es ist auch eine gute Übung für all jene, die noch nie als Spielleitung agiert haben, um ihrer Kreativität freien Lauf zu geben.

schnoerkel

Du hast neben dem Podcast ja auch den SchmetterTing-Verlag gegründet. Woran arbeitest du gerade und was können wir für die Zukunft erwarten?

Aktuell bereite ich das Crowdfunding für die deutsche Übersetzung zum Erzählspiel Lovecraftesque von Black Armada Games vor, welches zu Halloween starten soll. Hierbei geht es um eine Horrorgeschichte, die gemeinsam erzählt wird. Lovecrafts Werk und die Art seiner Geschichten ist hier das Vorbild, aber inhaltlich kann der Horror, in den die sogenannte Zeugin immer mehr eintaucht, auch ganz anders dargestellt werden. Ich erinnere mich da gern an eine Spielsitzung, wo sich am Ende herausgestellt hat, dass die Zeugin selbst der Horror war.

Nächstes Jahr geht es dann mit Hypertellurian von Mottokrosh und dem PbtA-Werwolfspiel Bite Me!, ebenfalls von Black Armada Games, weiter.

Hypertellurians ist ein Rollenspiel mit Schwertern, Zauberei und Strahlenpistolen, das so konzipiert wurde, dass es einfach und schnell zu spielen ist und gleichzeitig tiefe und vielfältige Charakterfortschritte ermöglicht. Du kannst ein Gehirn in einem Glas mit einem schrecklichen Geheimnis, ein magisches Mädchen mit Lichtkräften, einen Skelett-Wassermann oder einen experimentellen Raumschiffpiloten aus einer anderen Zeit spielen. So verrückt es klingt, so viel Spaß macht es.

Bite Me! thematisiert das Leben im Werwolfsrudel, welches von den Spielenden dargestellt wird. Das Rudel ist die Familie der Spielfigur und die ganzen Beziehungen zu Rudelmitgliedern, Rivalen oder Geliebten spielen genauso eine Rolle, wie das Überleben in der Welt, die sich mit Werwolfjägern wehrt. Deshalb ist es eine interessante Mischung aus Werwolf, die Apokalypse und Monsterhearts.

Nächsten Sommer beginnt die Kindergartenzeit für mein jüngstes Kind, dann möchte ich auch meine eigenen Spielideen (zum Beispiel: Wir werden alle sterben, Blind Gate to Paradise oder Bearded Shootout) umsetzen - und SchmetterTing wird in Zukunft vorwiegend coole Spiele von LGBTQIA+, PoC, dis_abled und anderweitig marginalisierten Menschen herausbringen. Hinzu kommt, dass ein Teil der Erlöse an gemeinnützige Vereine geht, welche die eben genannten Personengruppen unterstützen.

schnoerkel

Deine eigenen Spielideen hast du ja bereits hier und in den sozialen Medien (Twitter, Instagram) angeteasert, kannst du uns mehr darüber erzählen?

Wir werden alle sterben #WWAS (oder die kinderfreundliche Version Wir werden alle Lachen #WWAL) ist ein einfaches Basisspiel, welches ohne Würfel auskommt, damit es auch spontan unterwegs gespielt werden kann. Stattdessen werden Herausforderungen mit dem Schere-Stein-Papier-Spiel ausgefochten. In einer Version geht es darum, dass die Figuren alle sterben – oder eben alle lachen müssen.

Bearded Shootout ist von der Movember-Aktion inspiriert und basiert auf WWAS. Hier wird mit einem üblichen 52er-Kartendeck eine humorvolle Schießerei gegen NSC ausgefochten. Jede Spielfigur ist dabei aus einer marginalisierten Gruppe und erhält Boni dadurch. Eine Person mit Rollstuhl hat zum Beispiel einen höheren Bonus durch Deckung, eine nicht-binäre Person kann ihren Bart abnehmen und ist dafür eine Runde nicht angreifbar. Das Spiel folgt keiner strengen Logik und ist für wenig Spielzeit gedacht.

Blind Gate to Paradise wagt sich in eine neue Richtung, da ich hier für das Spektrum von Seheingeschränkten und blinden Personen ein möglichst zugängliches Spiel machen möchte. Das Spiel selbst führt Sehende in die Welt, wie sie ohne Visuelles funktioniert. Gespielt wird dazu mit geschlossenen Augen und die Beteiligten füllen Erinnerungen einer gemeinsamen Persona in verschiedenen Phasen auf und verändern diese.

Vielen Dank für das Gespräch, Dyn!
Gern!

Bildnachweis & Mitwirkende

Coverbild-Rahmen und Zwischenbilder gestaltet von Tina Trillitzsch, Porträt von Thorsten Panknin, bearbeitet von Tina. Korrektorat: Thorsten Panknin.

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