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Erfahrungsbericht: Als Rollenspieler im Storytelling-Workshop

BeePeeGee war in einem Storytelling-Workshop und erzählt, wie es war.

631 Wörter, ungefähre Lesedauer 3 Min.

Coverbild des Artikels mit einer gezeichneten Gruppe um ein Lagerfeuer

Im Storytelling-Workshop als Rollen­spieler

von BeePeeGee

Wir sitzen mit Beuteltee-Tassen in der Hand im Kreis. Ein typischer Seminarraum im Herzen Münchens. Eine Mischung aus Berufspädagogen, Business-Coaches und Senioren („Ich möchte meinen Enkeln Geschichten erzählen“) hat sich hier zusammengefunden. Ich habe keine Ahnung, was mich genau erwartet.

Das Wort Storytelling ist, spätestens seit Steve Jobs die Geschäftswelt mit seinen iPhone-Geschichten verzauberte, in aller Munde. Als Rollenspieler kenne ich mich mit Story Games aus. Mit Storytelling habe ich aber wenig Erfahrung. Das soll sich heute ändern.

Willkommens-Schriftzug von der Workshop-Tafel: Storytelling Workshop

Unsere Salzburger Referentin Mareike Tiede führt uns kompetent und sympathisch durch die didaktisch gut aufgebaute Tagesveranstaltung. Wir steigen gleich in Kleingruppen mit Übungen zu Haltung, Stand, Gestik, Mimik und Stimmeinsatz ein.

Was mich hier überrascht: Anders als bei mir bekannten Präsentationstechniken geht es hier um einen wesentlich zurückhaltenderen Vortragsstil. Schrilles Auftreten ist hier gar nicht gefragt. Eine leise modulierte Stimme, dramatische Pausen oder lebendig umspielte Details vermitteln die Erzählung viel wirkungsvoller.

Ich mache mir gleich eine geistige Notiz für die nächste Rollenspielrunde: In Zukunft möchte ich mit stimmiger Erzählung meine Zuhörerschaft gewinnen und übertriebene Darbietungen im Rollenspiel zurückstellen.

Interesse am Rollenspiel

Bei der Vorstellungsrunde erwähnte ich der Gruppe natürlich auch mein Interesse für Rollenspiele und insbesondere auch Erzählrollenspiele. Hier war das Interesse enorm. Viele Teilnehmerinnen wollten wissen, wie man in Erzählspiele einsteigt.

Was kann man solchen Menschen für den Einstieg guten Gewissens empfehlen? Das Schwarze Auge oder Splittermond wären für narrativ interessierte Einsteigerinnen sicher zu umfangreich.
Ich habe sie dann hauptsächlich auf Bücher des System Matters Verlags wie z. B. Geh nicht in den Winterwald verwiesen. Auch die neue Übersetzung des Schummelabenteuers für den Gratisrollenspieltag 2019 ist sicher gut geeignet.

Ich mache mir eine weitere geistige Notiz für die Zukunft: die Zusammenstellung einer Liste an leicht zugänglichen, deutschsprachigen Erzählspielen ist sehr sinnvoll.

Tafelbild: Geschichten intensivieren
Was mich neben dem Gruppeninteresse für Erzählspiele noch verblüfft hat: Rollenspiel ist mittlerweile eindeutig im Mainstream-Bewusstsein angekommen. Das haben wir wahrscheinlich auch erfolgreichen Serien wie Big Bang Theory oder Stranger Things zu verdanken. Ich war jedenfalls sprachlos, als auf das Stichwort Rollenspiele gleich eine Antwort kam: „Ach ja, sowas wie Dungeons & Dragons – oder?“

Vertrautes am Storytelling

Die sogenannten Erzähl-Knochen einer Geschichte (Tafelbild)

Was war nun für mich als Rollenspieler vertraut am Storytelling?
Die Struktur der Story war natürlich ein Heimspiel für mich. Da habe ich mich gleich wiedergefunden.
Im Workshop haben wir Storykonzepte aufgegriffen. Auch klassische Märchengeschichten haben wir uns vorgeknöpft und sie zunächst auf die minimalen Erzähl-Knochen reduziert, d. h. sozusagen den Fluff vom Grundgerüst getrennt.

So hatten wir bei Storytelling-Übungen stets die essentielle Erzählung im Blick und konnten sie dann bewusst mit lebendigen Details ausschmücken.

Ein weiteres Themengebiet, bei dem ich mich zu Hause gefühlt habe, war das Zuhören als Ko-Kreateure bzw. die re-imaginative Erfahrung im Storytelling. Das klang für mich nicht weit entfernt von der gemeinsam erschaffenen Erfahrungswelt (Shared Imagined SpaceSIS) des Rollenspiels.

Fazit – Nützliches Handwerkszeug für Rollenspieler

Was habe ich nun aus der Veranstaltung für das Rollenspiel praktisch mitnehmen können? Was kann ich in der nächsten Spielrunde daheim gleich einsetzen?

Es ist am ehesten ein stärkeres Bewusstsein für die Zuhörer. Ich brauche als Erzähler unabdingbar die Kooperation meiner Zuhörerschaft. Nur gemeinsam können wir eine lebendige, emotional befriedigende Geschichte erleben. Es ist ein gemeinsamer Tanz und keine Solo-Show. All diese Techniken, die wir an diesem Tag geübt haben, dienen genau diesem Zweck: das Würzen oder Intensivieren mit blumigen Adjektiven, die Verstärkung von Polaritäten, die direkte Ansprache, das Wecken von Neugier und das Auslösen von Gefühlen.

Insofern hat sich der Storytelling-Workshop für mich wirklich gelohnt. Wenn ihr eure Rollenspielfertigkeiten verfeinern möchtet, kann ich empfehlen, euch mit der Kunst des Geschichtenerzählens zu befassen.

Mehr über Mareike Tiede und ihre Arbeit mit Storytelling erfahrt ihr unter mareiketiede.de/storytelling/.

Bildnachweis & Mitwirkende

Coverillustration von Tina Trillitzsch, Tafelbilder von Referentin Mareike Tiede (mit freundlicher Erlaubnis). Korrektorat: Tina Trillitzsch und Thorsten Panknin.

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