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Spontane Zufallstabellen für neue Erzählimpulse

BeePeeGee schreibt darüber, wie ihr sie in euren Spielen nutzen könnt.

800 Wörter, ungefähre Lesedauer 4 Min.

Inhalt

Coverbild des Artikels, bunte Würfel

Vorgefertigte Zufallstabellen sind fester Bestandteil vieler Rollen- und Erzählspiele. Ich möchte euch hier den Ansatz spontaner Zufallstabellen vorstellen. Es ist in meinem Spiel Directions Storyplaying, einem kollaborativen, spielleiterlosen (SL-losen) Erzählrollenspiel, die zentrale Mechanik. Es hat sich als wertvolles Hilfsmittel erwiesen, um im Rollenspiel unmittelbar neue Impulse in die Erzählung zu bringen.

Zufall im Rollenspiel & Erzählspiel

Der Einsatz von Zufall ist im Rollenspiel ein wunderbar einfacher Weg, um die Illusion einer komplexen Spielwelt zu erzeugen.

Warum kompliziert …

… wenn es auch einfach geht.

Anstatt eine Spielrealität mit unzähligen Parametern zu modellieren, suggerieren wir mit einem Würfelwurf eine ähnliche Tiefe. Ein Rollenspiel ohne ein Maß an Ungewissheit, z.B. umgesetzt durch einen Würfelwurf, wäre unbefriedigend und kaum vorstellbar. Gerade bei Erzählspielen jedoch ist prinzipiell auch eine lineare Erzählung ohne Überraschungen denkbar.

Die Frage ist berechtigt, ob dies dann noch ein Erzähl-Spiel ist. Das heißt Würfelwürfe (oder auch andere Mechaniken wie z. B. Spielerinteraktion mit unbestimmtem Ausgang) können die Erzählung im spielerischen Sinne ungewiss und spannend halten.

Zufallstabellen im Rollenspiel

Kommen wir nun zu Zufallstabellen als Grundlage für einen Würfelwurf im Spiel. Es gibt dabei unterschiedliche Arten an Zufallstabellen, die in einem Rollen- oder Erzählspiel eingesetzt werden.

W4Kleidungsstück
1Bärenfell-Jacke
2Lederweste
3Wollmantel mit Stickereien
4Seidenumhang

Fluff-Tabellen (Fluff meint hier dekorative Hintergrunddetails des Settings) schmücken fantasievoll die Spielwelt oder einen Spielercharakter (SC) aus. Für die Haupthandlung sind sie in der Regel irrelevant oder haben nur einen begrenzten Einfluss. Praktisch macht es z. B. meistens keinen großen Unterschied, ob meine Spielfigur einen Wollmantel oder eine Lederweste trägt bzw. ob ich in einer Truhe ein Amulett oder eine Goldkette finde.

Für das Rollenspiel relevanter sind Häufigkeitstabellen wie z. B. zufällige Begegnungstabellen in Abenteuern.

W100 (%)Zufällige Begegnung Wald
00-08Maus
09-16Kaninchen
17-24Eule
25-44fünf Wölfe
45-64zwei Orks
65-84acht Banditen
85-92Bergtroll
93-98Waldgeist
98-99Einhorn

In diesem Beispiel wird in 25 % der Fälle keine besondere Begegnung stattfinden. Somit hat diese Tabelle an sich zwei Entscheidungen vereint: Zum einen ob eine besondere Begegnung stattfindet, zum anderen was für eine Begegnung dann stattfindet.

Die erste Frage ist mit der Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit der Abenteuersituation stimmig. Wenn man durch den Wald läuft, kann etwas passieren! Das könnte man auch vereinfacht z. B. mit einem W20 abbilden:

W20%Begegnung
1-525
6-1760„übliche Verdächtige“
18-2015außergewöhnlich

Die zweite Frage sollte hingegen aus meiner Sicht ein neues, interessantes Element in die Handlung reinbringen. Eine für das Setting „realistische“ Häufigkeitsverteilung, wie sie oft in Begegungstabellen zum Einsatz kommt, ist mir persönlich nicht so wichtig. Mir geht es vielmehr um eine interessante Wendung im Rollenspiel.

Somit kommen wir zu den spontanen Zufallstabellen…

Spontan erstellte Zufallstabellen

In Directions Storyplaying werden spontane Zufallstabellen für die aktuelle Szene oder Situation im Rollenspiel ad hoc erstellt. Persönlich nehme ich dazu einfach eine Karteikarte und schreibe die Zahlen 1–6 auf.

Dabei werden mögliche Ergebnisse für die weitere Erzählung mit der Fragestellung gesucht: Was wären gerade interessante Entwicklungsrichtungen für die aktuelle Erzählung?

Für unser Beispiel, einer zufälligen Begegnung unserer Abenteurer im Wald, könnte sie z. B. so aussehen:

W6Zufällige Begegnung Wald
1Verzweifelte Orks
2alter Feind
3Bergtroll
4Waldgeist
5-
6Einhorn

Wenn es dann beim Rollenspielen zur Entscheidung kommt, wird das Ergebnis anhand der Zufallstabelle ausgewürfelt und das Ergebnis entsprechend im Rollenspiel umgesetzt.

Wichtig ist dabei, dass auf der Zufallstabelle alle Optionen gleich stark gewichtet werden. Wenn man sich dabei ertappt, ein mögliches Ergebnis stärker gewichten zu wollen, sollte man sich lieber gleich für den Favoriten entscheiden.

Karteikarte mit 3 Optionen

Es ist auch in Ordnung, Felder frei zu lassen. Im Beispiel oben würde z. B. bei einer „5“ einfach nochmal gewürfelt.
Man kann auch nur 2-3 mögliche Ergebnisse angeben.

Das heißt man verteilt die möglichen Ergebnisse entsprechend auf die Würfelwerte.

Zufallstabellen gemeinsam erstellen

Bei einem kollaboratives Erzählspiel sind alle Spieler aufgefordert, zur Gestaltung der gemeinsamen Erzählung beizutragen. Bei der Erstellung spontaner Zufallstabellen können dabei im Brainstorming Ideen aller Spieler eingebracht werden.

Brainstorming

Auch wenn ihr ein Spiel mit fester Spielleitung (SL) spielt, könnt ihr ruhig alle Spieler um Ideen bitten und die besten Anregungen in die Zufallstabelle eintragen.

Die Ideen werden zwar kreativ und kollaborativ zusammengetragen, die Entscheidung wird jedoch dem Würfel überlassen und entsprechend im Rollenspiel umgesetzt. Alle Spieler sollten daher mit allen möglichen Ergebnissen leben können.

Fazit

Ob in einem kollaborativen Erzählspiel oder einem Rollenspiel mit fester Spielleitung - spontane Zufallstabellen können euch neue Impulse für die weitere Erzählung bieten. Probiert es einfach in eurer nächsten Spielrunde aus!

Wenn ihr wollt, könnt es auch gleich mit Directions Storyplaying anwenden. Spielbögen und alles weitere findet ihr auf der Webseite.

Viel Spass!

Weiterführende Texte:

Keith Burgun - Randomness & Game Design
Oakleaf Games - Game theory: Types of Randomness

Bildnachweis

Coverbild gestaltet von Tina Trillitzsch.

Prozessdiagramm currybet.net
Avatare freepik.com

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